Alternative Frequenznutzung
Ausgehend von den geführten Debatten um das Frequenzspektrum ist die mabb seit jeher darum bemüht, auch alternative Frequenznutzungen zu berücksichtigen. Frequenzen sind ein öffentliches Gut, das bestmöglich und im Sinne des Gemeinwohls eingesetzt werden soll.
Interessenbekundungsverfahren zur Erprobung von Rundfunkspektrum für öffentliches WLAN
Die Versorgung der Bevölkerung mit breitbandigem mobilem Internet ist ohne Zweifel ein wichtiges Element einer digitalen Gesellschaft. Ob diese wichtige Aufgabe allerdings der Mobilfunk exklusiv gewährleisten muss, ist nicht gesagt. Aktuell wird die Hauptlast der Datennutzung von Tablets und Smartphones über WLAN-Netze getragen. WLAN hat eine beeindruckende Erfolgsgeschichte hinter sich und ist heute ein weltweiter Übertragungs-Standard für die mobile Internetnutzung. Die große Nachfrage nach Smartphones und Tablets hat dazu geführt, dass WLAN in der alltäglichen Nutzung dieser Geräte nicht mehr wegzudenken ist. Wurden die WLAN-Frequenzen 2,4 und 5 GHz in der Vergangenheit noch als "Schrottfrequenzen" bezeichnet, für die man außer für den Betrieb von Mikrowellen und Babyphones keine weiteren Anwendungen sah, sind sie heute ein wichtiger Baustein einer digitalen Gesellschaft und übersteigen das Verkehrsvolumen von Mobilfunknetzen um ein Vielfaches. WLAN- und Mobilfunk-Netze stehen sich aber nicht frontal gegenüber, sie sind vielmehr komplementär zueinander zu betrachten und nicht als Substitute.
WLAN entlastet die Mobilfunknetze erheblich und hat einen enormen volkswirtschaftlichen Nutzen. Um die positive Entwicklung der WLAN-Technologie weiter zu fördern, wird mittelfristig zusätzliches Frequenzspektrum für die lizenzfreie WLAN-Nutzung notwendig. Das bisher für WLAN verfügbare Frequenzspektrum im 2,4 und 5 GHz-Bereich hat gegenüber dem Rundfunkspektrum den Nachteil einer vergleichsweise geringen Reichweite. Für die Nutzung im öffentlichen Raum und in öffentlichen Gebäuden könnte WLAN-Technologie, welches die ungenutzten Flächen des Rundfunkspektrums nutzt, die Breitbandversorgung deutlich verbessern.
Die mabb hat daher ein Interessenbekundungsverfahren gestartet, das die Durchführung bzw. Förderung eines Pilotprojekts vorbereitet, mit dem Erkenntnisse darüber gewonnen werden sollen, ob sich Rundfunkspektrum auch für eine WLAN-Nutzung eignet. Der Förderverein Freie Netzwerke hat dafür den Zuschlag erhalten und die Ergebnisse der praktischen Erprobung im Jahr 2015 dokumentiert. Neben der praktischen Erprobung hat die mabb zusätzlich einen Rechercheauftrag an die Stiftung Neue Verantwortung vergeben, in dem der potenzielle gesellschaftliche Mehrwert einer Nutzung von Rundfunk-Frequenzen durch WLAN-Technologie untersucht wurde. Neben der Analyse und Bewertung verschiedener Anwendungsszenarien, wurde in der Recherche vor allem die internationale Debatte und Regulierung sowie verschiedene Pilotprojekte näher beleuchtet.
Pilotprojekt Wittstock/Dosse
Mit dem Pilotprojekt in Wittstock/Dosse in Brandenburg wurde 2009/2010 europaweit zum ersten Mal eine Rundfunkfrequenz (UHF-Kanal 55) für breitbandiges Internet vorwiegend zur Versorgung ländlicher Räume zur Verfügung gestellt und unter Praxisbedingungen mit einer repräsentativen Auswahl von etwa 80 Nutzern getestet. Das Pilotprojekt beruhte auf einer Kooperationsvereinbarung zwischen der mabb und T-Mobile. Für die Durchführung des Projekts in Wittstock/Dosse wurde ein auf den Frequenzbereich bei 750MHz adaptiertes kommerzielles TD-CDMA-System ausgewählt.
Das Projekt diente in erster Linie dazu, die technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für einen Regelbetrieb im Rundfunkspektrum zu klären. Dabei ging es um die Ermittlung der praktisch erzielbaren Reichweiten, der übertragbaren Bandbreiten unter realen Ausbreitungsbedingungen, des Verhaltens und des Umgangs der Nutzer mit einer Breitband-Internet-Funklösung sowie um die Analyse wechselseitiger Interferenzen zwischen DVB-T und dem Funkbetrieb für Breitband-Internet sowie deren Beseitigung oder Reduzierung. Im Ergebnis des Projekts lässt sich festhalten, dass die Internet-Breitbandübertragung in Rundfunkfrequenzbändern technisch möglich ist, dass Interferenzen in einigen Fällen aber besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Die Nutzer haben das Angebot mit großer Resonanz und hoher Zufriedenheit angenommen. Als erstes Pilotprojekt zur praktischen Erprobung der Nutzung der Rundfunkfrequenzbänder für Breitband-Internetdienste hat Wittstock wichtige Anstöße für die Versachlichung der Diskussion zur Nutzung der Digitalen Dividende I geliefert.
Nach Beendigung des von der mabb geförderten Projekts wurde den beteiligten Nutzern von der Deutschen Telekom die Überleitung in die für den flächendeckenden Einsatz auf Rundfunkfrequenzen vorgesehene Breitbandtechnologie LTE angeboten.