#MCB18: Die Bundesregierung auf Facebook & Co - Warum Grenzen festgelegt werden müssen
Ist ein Live-Video auf YouTube eigentlich dasselbe wie eine Film-Ausstrahlung im Fernsehen oder ein Beitrag im Radio? Darauf gibt es eine klare Antwort, wenn man die technische Definition zugrunde legt, die auch auf Onlineangebote zutreffen kann. Unter den Begriff „Rundfunk“, also die Ausstrahlung eines Beitrags im Radio oder im Fernsehen, fällt alles, was potentiell mehr als 500 Menschen erreicht, was redaktionell gestaltet ist, einem Sendeplan folgt und was linear abläuft. „Linear“ bedeutet in diesem Zusammenhang: Der Nutzer kann sich den Inhalt nicht anschauen, wann er möchte, sondern nur zum vorgegebenen Zeitpunkt. Sind Inhalte ausschließlich on-demand verfügbar handelt es sich nicht um Rundfunk.
Wer nach dieser Definition aus der analogen Welt Rundfunk machen möchte, braucht eine Sendelizenz, und die muss er bei den Medienanstalten beantragen. Das gilt auch für einige YouTuber. Ein Anbieter digitaler Inhalte wird eine solche Lizenz jedoch nie bekommen: Und das ist der Staat. Denn Staatsrundfunk hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1961 mit Blick auf die nationalsozialistische Vergangenheit der Bundesrepublik und die damalige staatliche Propaganda über die Massenmedien Radio und Fernsehen verboten. Allerdings gab es zu Zeiten dieses Urteils noch kein Internet: Heute erreichen aber auch soziale Medien wie Instagram, Facebook und YouTube große Bevölkerungsgruppen.
Soziale Medien als Infoquelle
Dr. Kristian Kunow, Leiter des Bereichs „Projekte und Förderung“ bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), stellte am zweiten Tage der MEDIA CONVENTION Berlin auf Stage 7 im Panel „Dürfen die das? Was macht die Regierung auf Facebook und Co?“ die Ergebnisse einer Studie zum Thema „Intermediäre und Meinungsbildung“ vor. Intermediäre sind Plattformen wie Google und Facebook, die eine große Zahl an Nutzerinnen und Nutzern erreichen. Ergebnis: Mehr als ein Fünftel der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren informiert sich täglich über soziale Medien. Bei den 14 bis 29-Jährigen sind es sogar mehr als 50 Prozent. Besonders viele Bürgerinnen und Bürger nutzen zur Information Facebook. Dort finden sie auch Informationen der Bundesregierung – genauso wie auf Instagram oder YouTube: Fotos von der Kanzlerin auf Auslandsreisen zum Beispiel oder ihre Statements in Videoform. Ist das erlaubt, obwohl Staatsrundfunk verboten ist? Diese Frage wurde neulich auch von Satiriker Jan Böhmermann aufgeworfen.
Staatliche Selbstdarstellung ist kein Rundfunk
Prof. Dr. Hubertus Gersdorf bestätigte in seinem Vortrag, dass die staatlichen Social-Media-Aktivitäten der Bundesregierung im Wesentlichen rechtmäßig seien. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Medienrecht an der Juristenfakultät der Universität Leipzig. „Die Regierung muss staatliche Öffentlichkeitsarbeit leisten“, sagt er, und sie müsse transparent über ihre Arbeit informieren. Der Staat dürfe und solle sich also auch in sozialen Netzwerken selbst darstellen, solange er dabei die Grenze zum Rundfunk nicht überschreite. Dr. Johannes Dimroth, Abteilungsleiter Politische Information im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, betonte, dass neben der Selbstdarstellung auf den sozialen Kanälen auch der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern gesucht werde. Dass man dafür Plattformen wie Facebook nutze, obwohl diese die Daten ihrer Mitglieder und eben auch der deutschen Bürgerinnen und Bürger sammeln und analysieren, sei jedoch kein blindes Zugeständnis an deren Handeln: „Wir finden nicht alles richtig und gut, was Facebook macht“, sagte Dimroth. „Aber wir erfüllen dort unseren Auftrag“.
Fraglich ist jedoch, wie weit dieser Auftrag gehen darf: Der Medienetat des Bundespresseamts für Crossmedia und Social Media sei von 40 auf 100 Millionen gestiegen, sagte Thomas Fuchs, Direktor der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH). „Während ganz klar geregelt ist, dass weder Staatspresse noch Staatsrundfunk erlaubt ist, gibt es ein breites unreguliertes Tätigkeitwerden der Bundesregierung im Netz“, so Fuchs. „Bisher ist für deren Präsenz dort keine Grenze definiert. Theoretisch könnte es sein, dass man eine Art Bundesinformationsgesetz bräuchte, in dem festgelegt wird, wo die Grenzen der staatlichen Selbstdarstellung im Internet liegen.“ Die Videos der Bundeswehr auf YouTube zur Personalgewinnung könnten unter Umständen bereits eine Grenze überschreiten.
Thomas Fuchs forderte darum, dass die „äußerst unscharfen Grenzen“ dessen, was erlaubt ist, genauer gezogen werden – sowohl in Hinblick auf die Inhalte als auch auf das aufgewendete Budget. „Wir müssen genau wissen, wo die Aktivitäten der Bundesregierung aufhören müssen“, so Fuchs bei der MEDIA CONVENTION Berlin.