Kehrtwende beim Berliner Verwaltungsgericht: Nutzung zusätzlicher Kanäle im Belieben der Telekom
Mit seinen bisher nur als Presseerklärung bekannt gewordenen Beschlüssen vom heutigen Tage hat das Verwaltungsgericht Berlin die Durchsetzung der Entscheidung des Medienrates verhindert, wonach die Berliner Kabelfernsehzuschauer zusätzlich zu dem bisherigen Angebot noch die Programme Nickelodeon, tm3, Super RTL und Phönix empfangen sollten, solange die entsprechenden Kanäle nicht für digitales Fernsehen benötigt werden; es hat außerdem die Verbreitung von Premiere digital und DF1 im Berliner Kabelnetz gestoppt.
Für eine Feststellung, daß Frequenzen zur Rundfunknutzung zur Verfügung stehen, fehle der Medienanstalt die Rechtsgrundlage, seit die Telekom privatisiert worden sei, so das Verwaltungsgericht in seiner Presseerklärung vom heutigen Tage.
Das Berliner Verwaltungsgericht hat bisher eine sehr strenge Anforderung an die Kanalbelegung gestellt und ins einzelne gehende Anforderungen für die Berücksichtigung bestimmter Veranstalter formuliert, bis hin zu der Entscheidung, daß die räumliche Teilung des Berliner Kabelnetzes bei der Verbreitung fremdsprachiger Programme unzulässig sei, weil es dafür keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage gebe (diese Entscheidung ist wie mehrere andere durch das Oberverwaltungsgericht aufgehoben worden).
Nun stellt das Verwaltungsgericht die Rechte der Telekom als Privatunternehmen in den Vordergrund; die Medienanstalt könne weder anordnen, daß die derzeit ungenutzten Kanäle für die Übertragung zusätzlicher analoger Programme zur Verfügung gestellt werden, noch die bereits für die digitale Rundfunkübertragung vorgesehenen Kanäle mit Angeboten belegen.
Damit bleiben den Berliner Zuschauern weiter die Programme Super RTL, Nickelodeon, tm3 und Phoenix vorenthalten, die in anderen Ländern fast überall zu sehen sind.
Aber auch digitale Programme sind derzeit über das Berliner Kabelnetz der Telekom nicht zu empfangen. 15 mit den Mitteln der Berliner Kabelhaushalte ausgebaute Kabelkanäle stehen leer.
Dafür hat die Telekom eine Gebührenerhöhung angekündigt, die zum 1. November 1997 wirksam werden soll.
Diese Preiserhöhung wird insbesondere damit begründet, daß vorübergehend zwei zusätzliche analoge Kanäle zur Verfügung stehen. Die Medienanstalt sieht jedenfalls für Berlin keine Grundlage für eine solche Preiserhöhung.
In der Verweigerung von zwei analogen Kanälen, die die Medienanstalt Berlin-Brandenburg zwar als erste gefordert hatte, die Berlin und Brandenburg nun aber erst zeitlich nach anderen Bundesländern erhalten sollen, weil hier der Machtanspruch der Telekom in Frage gestellt worden ist, sieht die Medienanstalt eine mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung und hat deswegen das Bundeskartellamt gebeten, entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
Die Medienanstalt wird gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin einlegen. Die Telekom unterliegt nach Auffassung der Medienanstalt bei der Nutzung ihres Netzes, das sie mit einem öffentlichen Monopol und öffentlichen Mitteln aufgebaut hat, nicht nur einer kartellrechtlichen, sondern auch einer medienrechtlichen Kontrolle. Das Verwaltungsgericht Berlin räumt der Telekom sogar Spielräume ein, die diese selbst nicht verlangt hatte. Selbst beim "Runden Tisch" hatte die Telekom akzeptiert, daß es bei allen, auch den digitalen Kanälen strukturelle Vorgaben des Medienrechts für die Vielfalt der Angebote geben muß; entsprechendes muß auch für den Übergang von der analogen in die digitale Übertragung gelten.