Rechtliche Schritte gegen die Deutsche Telekom AG
Öffnung von drei bisher blockierten Kanälen im Hyperband des Berliner Kabelnetzes
Seit 1987 haben die Bundespost bzw. die Telekom, finanziert durch erhöhte Gebühren der Berliner Kabelhaushalte, 18 zusätzliche Kanäle im sog. Hyperband ausgebaut. Drei davon werden seit der letzten Funkausstellung für zusätzliche Programme genutzt, die restlichen 15 stehen leer. Indessen können zahlreiche über Satellit empfangbare Programme nicht im Kabel verbreitet werden. Die Medienanstalt ist zur Mangelverwaltung und Kanalteilung gezwungen. Das Berliner Kabelnetz leidet mehr und länger als jedes andere Netz unter dem Mangel an Kabelkanälen.
Die Telekom möchte die 15 derzeit ungenutzten Kanäle für das digitale Fernsehen freihalten. Die Kanäle können wie die andern drei im Hyperband auch analog genutzt werden, mit geringfügigen Investitionen für die Umstellung. Der größte Teil der Berliner Kabelhaushalte könnte dann zusätzliche Programme empfangen, ohne sich eine Set-Top-Box anschaffen zu müssen oder zusätzlich zu bezahlen. Mit allen neueren Fernsehgeräten kann das Hyperband empfangen werden.
Der Medienrat hat schon vor zwei Jahren, Anfang 1995, die medienrechtlichen Voraussetzungen für die breite Einführung digitalen Fernsehens im Berliner Kabelnetz geschaffen. Erklärte Ziele waren und sind neben den Chancen für ein differenziertes, entgeltfinanziertes Angebot: die Entwicklungsmöglichkeiten für werbe- und gebührenfinanzierte Veranstalter "freier" Programme, die wegen des analogen Engpasses nicht verbreitet werden können, ein breiteres Angebot für die fremdsprachigen Minderheiten in Berlin, der Zugang für Anbieter aus der Region Berlin-Brandenburg und die Nutzung der innovativen Chancen der digitalen Technik. Der Medienrat hat aus diesen Zielen konkrete Anforderungen für die Kanalbelegung abgeleitet (in der Konzeption für die Nutzung der ausgeschriebenen digitalen Fernsehkanäle vom Januar 1996).
Die Telekom hatte versprochen, für das Berliner Netz bis Ende 1995 neben dem Netzausbau die notwendigen technischen Dienstleistungen und eine bedarfsgerechte Zahl der für den Empfang digitaler Programme notwendigen Set Top Boxen zur Verfügung zu stellen. Statt dessen hat sie seitdem ihre Strategie mehrfach geändert. Sie erhebt jetzt den Anspruch, daß digitales Fernsehen im Kabel nur über von ihr bestimmte Set Top Boxen empfangen werden dürfe, ist aber bis heute nicht in der Lage, verbindliche Aussagen zur Bereitstellung dieser Boxen zu machen.
Nach der derzeit verfolgten Strategie besteht wenig Aussicht, daß die digitale Verbreitung in den nächsten Jahren eine realistische Entwicklungschance für Veranstalter eröffnen wird, die sich aus Werbung und Gebühren finanzieren und ihre Programme frei anbieten. Mit ihrem erklärten Konzept, sich künftig durch Beteiligung an der Wertschöpfung der entgeltfinanzierten Veranstalter finanzieren zu wollen, setzt die Telekom einseitig auf die Entwicklung hochpreisiger Programme. Sie verstärkt damit die Machtstellung der Unternehmen, die über die dafür notwendigen Exklusivrechte verfügen und die die entgeltfinanzierten Veranstalter kontrollieren, konkret Kirch und Bertelsmann, die derzeit über eine Zusammenarbeit in diesem Bereich verhandeln.
Den frei empfangbaren Programmen, bei denen es noch eine vielfältigere Veranstalterstruktur gibt, werden dagegen die Entwicklungsmöglichkeiten abgeschnitten. Sie sind auf hohe technische Reichweiten angewiesen, die sie nach den Planungen der Telekom auf absehbare Zeit nicht digital, sondern nur analog erreichen können. ASTRA und Kabelnetze von Wettbewerbern der Telekom stellen zusätzliche analoge Kanäle entsprechend den Markterfordernissen zur Verfügung. Die Telekom dagegen bleibt bei ihrer zentralen Planung und verweigert bundesweit zusätzliche analoge Kanäle. Leidtragende sind auch die an die Telekomnetze angeschlossenen Kabelhaushalte, denen frei empfangbare Programme vorenthalten werden, um ihnen leichter teure entgeltpflichtige Programme in ganzen Paketen verkaufen zu können, an deren Absatz die Telekom verdienen möchte.
Zur Durchsetzung ihrer Umsatzbeteiligung blockiert die Telekom derzeit auch den Empfang digitaler Programme im Kabel. DF 1 wird seit Sendebeginn nur über Satellit empfangen. Premiere kann seinen am 15.2.1997 begonnenen Markttest nur für Haushalte mit Satellitendi-
rektempfang durchführen. Obwohl Premiere bisher Programme und Set Top Boxen selbst vermarktet hat, hat es für die digitale Verbreitung weitgehende Zugeständnisse an die Telekom gemacht, die künftig den Zugang und die Kunden kontrollieren will.
DF 1 verhandelt immer noch mit der Telekom. Auch wenn DF 1 derzeit eine mit der Telekom konkurrierende technische und Programmplattform betreibt, liegt bei der derzeitigen Ausrichtung der Telekom eine Einigung mit DF 1 nahe, die zu Lasten der frei empfangbaren werbe- und gebührenfinanzierten Veranstalter gehen wird. Die von der Telekom versprochene "neutrale Plattform" kann es nicht geben, solange die Telekom auf die Beteiligung an der Wertschöpfung setzt und nicht bereit bzw. in der Lage ist, die - höheren - Investitionen aufzubringen, die eine digitale Plattform auch für Veranstalter erfordert, die sich aus Werbung oder entsprechend dem Vorbild fast aller ausländischen Kabelprogramme aus einer Mischung von Werbung und Entgelten finanzieren.
Nachdem monatelange Gespräche ohne greifbares Ergebnis geblieben sind, die Telekom vielmehr jede Bewegung von gesetzgeberischen Regelungen abhängig gemacht hat, die ihr die gewünschten Freiräume verschaffen sollen, hat der Medienrat der MABB nun beschlossen, rechtliche Schritte gegen die Telekom einzuleiten, um zunächst drei Kanäle des Hyperbandes zu öffnen.
Die Medienanstalt wird auf drei Ebenen tätig werden:
- Auf der Grundlage des geltenden Medienrechts werden drei Kanäle durch Bescheide zugewiesen, die für sofort vollziehbar erklärt werden. Die Bescheide sind befristet. Fortschritte bei der Entwicklung des digitalen Fernsehens und einer wirklich neutralen Plattform können dadurch berücksichtigt werden, daß die Kanäle künftig digital statt analog genutzt werden.
- Die Medienanstalt wird das Bundeskartellamt unterrichten und eine Prüfung anregen, ob die Telekom als marktbeherrschendes Unternehmen ohne sachlichen Grund die Veranstalter benachteiligt, denen die Medienanstalt Kanäle zugewiesen hat. Die Veranstalter selbst können wie im letzten Jahr die Vebacom GmbH Maßnahmen gegen die Telekom zur Abwendung der ihnen entstehenden Nachteile beantragen.
- Die Medienanstalt wird die Europäische Kommission in Brüssel darüber unterrichten, wie die Telekom die Entwicklung des größten europäischen Kabelnetzes behindert, und zwar sowohl zu Lasten des Wettbewerbs als auch zu Lasten der Ziele der Informationsgesellschaft. Die MABB wird ihre Einschätzung darlegen, daß ungeachtet des Engagements der Berliner Stellen und konstruktiver Überlegungen in der Zentrale der Telekom die Ursachen für diese Behinderung darin liegen, daß der Kabelbereich nicht ausgegliedert und regionalisiert wird, und daß Investitionen in die Breitbandnetze nur dann realistisch erwartet werden können, wenn diese auch in Wettbewerb zu sonstigen Netzen und Dienstleistungen der Telekom treten können, insbesondere in der Sprachtelefonie.
Die konkrete Kanalbelegung wird wie folgt geregelt werden:
Der Medienrat hatte die Belegung von 2 zusätzlichen Kanälen mit Nickelodeon, tm 3 und Super RTL bereits im Oktober 1996 in Aussicht genommen. Der Kanalbelegungsbescheid von November 1996 wird nun wie angekündigt ergänzt werden:
- Sonderkanal 24 geht an Nickelodeon und tm 3,
- Sonderkanal 25 geht an Super RTL.
- Zur künftigen Nutzung des Sonderkanals 26 (alternativ dazu zur Nutzung des Kanals 21 - bei dem die Telekom einen Versuch abgelehnt hat, obwohl keine Hindernisse für die Nutzung erkennbar sind - oder eines der bisher für digitalen Satellitenrundfunk genutzten Sonderkanäle 2 und 3) werden die Telekom und die an der Verbreitung im Berliner Kabelnetz interessierten Veranstalter angehört. Diese Anhörung wird insbesondere durch die Fortentwicklung des Programmangebots um den Kanal Phönix veranlaßt , dessen Verbreitung sonst zu Lasten eines bisher noch verfügbaren Programms gehen müßte.
- Sonderkanal 27 geht an Premiere, für das digitale Gesamtangebot im Markttest.
- DF 1 befindet sich nach eigenen Angaben derzeit noch in Verhandlungen mit der Deutschen Telekom. Der Medienrat nimmt in Aussicht, DF 1 fünf Kanäle zuzuweisen, wenn entsprechende Bedingungen wie bei Premiere akzeptiert werden, eine effektive Nutzung der Kanäle gewährleistet und eine klare Trennung der Funktionen als Veranstalter, als technischer Dienstleister und als Programmplattform nachgewiesen wird. Unberührt bleiben die bereits eröffneten Möglichkeiten für einen technischen Versuch.